Benigne Schilddrüsenerkrankungen
Klinische Einteilung, Pathogenese
Strumagrade:
Ia | nur ein tastbarer Knoten bei normal großer Schilddrüse |
Ib | Struma nur bei deflektiertem Hals tastbar |
II | Struma bei normaler Kopfhaltung sichtbar |
III | Struma mit lokalen Stauungs- und Kompressionszeichen |
Blande (euthyreote) Struma:
Tastbare Vergrößerung der Schilddrüse bei normaler Hormonproduktion. (90% aller Strumen in der BRD sind euthyreote Strumen). Ca. 10% der Bevölkerung sind betroffen. Exogener Jodmangel oder endokrine Belastungen mit erhöhtem Bedarf an Schilddrüsenhormon werden als Hauptursache angesehen.
Hypothyreose
Bei der primären Hypothyreose liegt ein Mangel an funktionstüchtigem Schilddrüsengewebe (z.B. Z.n. Strumitis) vor. In anderen Fällen ist ein angeborener Enzymdefekt die Ursache.
Bei der sekundären Hypothyreose kommt es zu einer Verminderung der TSH-Produktion infolge einer primären Erkrankung der Hypophyse.
Hyperthyreose
Wahrscheinlich handelt es sich bei der primären Form um eine Autoimmunerkrankung. Die Hyperthyreose kann ohne Struma, mit diffuser Struma und mit Struma nodosa auftreten. Sie kann Ausdruck eines kompensierten oder dekompensierten autonomen Adenoms sein.
Thyreotoxische Krise
Spontanes Auftreten bei Hyperthyreose, z.B. nach exogener Jodgabe, nach Beendigung einer thyreostatischen Behandlung, nach Strumekomie bei Hyperthyreose.
Myxödem
Im Gefolge einer Hypothyreose, aber auch einer Hyperthyreose, kann ein sog. Myxödem auftreten. Es finden sich häufig prätibial und an den Zehen ausgeprägte Ödeme, die bei Fingerdruck keine Dellen verursachen. Ursache sind generalisierte Ablagerung von Glykosaminoglykanen (auch Mukopolysaccharide genannt) wie Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat in der Haut.
Symptome:
Euthyreote Struma | |
Hypothyreose | Ikterus neonatorum prolongatum; Ess- und Trinkschwäche. Leistungsabfall. Kälteempfindlichkeit. Trockene Haut. |
Hyperthyreose | Unruhe, Tremor, Tachykardie, Extrasystolen, Gewichtsverlust, Wärmeintoleranz, Feuchte Haut. Endokrine Ophthalmopathie. |
Thyreotoxische Krise | Fieber> 40 Grad; Erbrechen; Diarrhoe; Somnolenz; Koma; |
Prästationäre Maßnahmen (Hausarzt):
- Basis-OP-Vorbereitung
- fT3/fT4 + TSH-Spiegel
- Schilddrüsenszintigramm
- Überweisung in Schilddrüsenambulanz (Szintigramm, Sono)
Abbildung: kalter Knoten im Schilddrüsenszintigramm. Quelle: MRI/C
Abbildung: kalter Knoten im Schilddrüsenszintigramm. Quelle: MRI/C
Vor geplanter Operation: HNO-Konsil (Recurrensfunktion) Serumwerte: CPK, LDH, Serumcholesterin (bei Hypothyreose erhöht) AP, GOT, GPT (bei Hyperthyreose erhöht)
Fakultative Diagnostik
- TRH-Test (Bestimmung der TSH-Konzentration vor und nach Gabe von TRH: Delta TSH < 2 µIE = negativ). Fehlender TSH-Anstieg bei Hyperthyreose und hypophysärer Hypothyreose.
- Feinnadelpunktion eines kalten Knotens
- Hals-CT Tracheazielaufnahme
Therapie [Chirurgie]
Indikation:
- blande Struma und Trachealkompression oder kosmetisches Problem
- Hyperthyreose mit diffuser oder knotiger Struma nach herbeiführen einer euthyreoten Stoffwechsellage (Thyreostatika)
- autonome Adenome oder Strumen mit kalten Knoten
- Rezidivstruma ohne Ansprechen auf Radiojodtherapie
Aufklärung
Recurrensparese (1-3%), Tracheotomie im Notfall (beidseitige Recurrensparese), Aufklärung für Eigenblutspende nicht zwingend weil Transfusionswahrscheinlichkeit < 5 %, ungünstiges kosmetische Resultat, Strumarezidiv
Operationsverfahren:
- Thyreodektomie (bevorzugt, um Rezidivoperationen mit hohem Risiko der Recurrensschädigung zu vermeiden)
- Bei eindeutig knotemfreien SD-Rest: Subtotale Strumaresektion (re., li., bds.)
- Hemithyreoidektomie
- selten: Selektive Resektion
Die Adenomenukleation ist aufgrund der erschwerten pathologischen Begutachtung des Präparates und der Möglichkeit der Dignitätsfehlbeurteilung obsolet.
Immer: Intraoperative Nervenstimulation.
Wenn Recurrens dargestellt werden kann direkt, sonst indirekt über n. vagus. Sicherung des Nervenverlaufs während der Resektion und abschliessend indirekte Stimulation zum Beweis der Nervenkontinuität.
Nachbehandlung:
20:00h: Blutbildkontrolle.
2. p.o. Tag: Kalziumkontrolle, HNO Konsil.
Intraoperativ Substitution festlegen:
> 8 ml Restvolumen: 200 μg Jodid pro Tag.
2 - 8 ml: Jodid-Thyroxin Kombinationspräparat
< 2 ml: ausschließlich Thyroxin, Dosierung Richtwert: 1,5 μg / kg Körpergewicht
Beginn einer Jod- oder Thyroxintherapie erst nach Eingang der Histologie (eventuelle Radiojodtherapie bei Karzinom !)
Abschlussgespräch: Thyroxineinnahme 20 Minuten vor Frühstück
TSH Kontrolle 5-6 Wochen postop
Redon-Drainagen nach 48 Stunden ohne Sog entfernen (cave: sek. Recurrensverletzung), bei unkomplizierten Fällen in der Regel dann Entlassung. Entfernung des Intrakutanfadens nach 8-10 Tagen.
Therapie [Internistisch]
Blande Struma
- Alleinige Jod-Substitution meist nicht ausreichend. Standardtherapie ist die Substitution von Schilddrüsenhormonen, z.B.
- L-Thyroxin (T4) [Euthyrox] nach TRH-Test
- (initial negativen Test anstreben, nach Strumareduktion -> positiven Test anstreben)
- Bei Kompressionerscheinungen Vorstellung -> Operationsindikation (alternativ Radio-Jod-Therapie).
Hypothyreose
- Dauersubstitution von Schilddrüsenhormon (siehe oben).
Hyperthyreose
- Chemische Blockade der Synthese von Schilddrüsenhormonen mit Thyreostatika
- Perchloraten [Irenat] oder besser
- Methimazol [Favistan] initial 40 - 80 mg/d, dann 10-20 mg/d
- Carbimazol [Neomorphazole] initial 15-60 mg/d, dann 5-15 mg/d
immer in Kombination mit Schilddrüsenhormonsubstitution (wegen HVL-Aktivierung und Gefahr der Strumavergrößerung), z.B. L-Thyroxin (T4) [Euthyrox].
Im Intervall (nach Euthyreose) -> elektive subtotale Strumaresektion
Thyreotoxische Krise
Blockade der Schilddrüsenfunktion, z.B. mit Endojodin 1000 mg/d iv. undMethimazol [Favistan] Dauerperfusor bis 400 mg p.d., zusätzlich Glucocorticoide (z.B. Prednisolon [Soludecortin H] 40-100 mg iv. p.d)
zusätzlich Antibiotika, Sedativa, Antihypertonika oder ß-Blocker, Flüssigkeitsersatz.
Rezidivprophylaxe: Postoperative Messung (alle 3 Monate) der Schilddrüsenhormone und des TSH. Bei TSH-Anstieg und Abfall der Schilddrüsenhormone einleiten einer Thyroxin-Suppressionstherapie. Diese Behandlung wird in der Regel durch den Endokrinologen vorgenommen.