Gastroösophageale Refluxkrankheit
Klinische Einteilung, Pathogenese
Die primäre Refluxkrankheit (GERD, gastroesophageal reflux disease) ist durch einen insuffizienten unteren Ösophagussphinkter gekennzeichnet, wobei im Gefolge Magen- und Intestinalsekret in die terminale Speiseröhre zurücklaufen kann. Die sekundäre Refluxkrankheit ist durch organische Ösophaguserkrankungen (Motilitätsstörungen) oder Zustände gastraler Stase und Magenausgangsstenose bedingt. Ein physiologischer Reflux tritt bei nahezu allen Normalpersonen auf, wird aber durch Speichelneutralisation und Ösophagusclearance kompensiert.
Als wesentlicher pathogenetischer Faktor der GERD wird eine erhöhte Exposition des Ösophagus mit Magensaft angesehen.
Bei längerdauerndem Kontakt von Intestinalsekret und Ösophagusmukosa kommt es zur Refluxösophagitis.
Die Refluxösophagitis wird endoskopisch nach Savary und Miller klassifiziert.
siehe auch: Videoclip Refluxösophagitis Grad I
AVI-Video (CD)
CD: Videoclip Refluxösophagitis Grad II
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CD: Videoclip Refluxösophagitis Grad III
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CD: Videoclip Refluxösophagitis Grad IV
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Histologisch ist die Refluxösophagitis durch das Einwandern von neutrophilen Granulozyten in die Lamina propria der Ösophaguswand gekennzeichnet. Eine alkalische Refluxösophagitis entsteht durch den Reflux von Dünndarmsekret (z.B. nach Gastrektomie). Eine gastroösophageale Refluxkrankheit kann zur Ausbildung oder Progression asthmatischer Symptome führen. Im Gefolge der Refluxkrankheit kann sich ein sog. Endobrachyösophagus mit Barrett-Schleimhaut ausbilden (CD: Endoskopischer Aspekt). Die Häufigkeit der Diagnose des Endobrachyösophagus ist in westlichen Zivilisationen stark zunehmend. Es besteht ein gesicherter Zusammenhang zwischen Ausbildung eines Endobrachyösophagus und dem Auftreten von Adenokarzinomen der Speiseröhre(ca. 14%). Häufig ist die Refluxkrankheit mit dem Vorliegen einer Hiatushernie kombiniert.
Eine sinnvolle Klassifikation der gastroösophagealen Refluxerkrankung ist der sog. AFP-Score, der anatomische, funktionelle und pathologische Kriterien verwendet:
Klasse | Grad, Score |
Beschreibung |
Anatomie | Hernie | |
0 | Kein Nachweis einer Hiatushernie | |
1 | Kleine oder intermittierende (axiale) Hiatushernie | |
2 | Konstante axiale Hernie, die während Bariumbreischluck nicht reponiert, die endoskopisch mind. 3 cm oberhalb des Zwerchfelldurchtrittes fixiert ist. |
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3 | Gemischte oder paraösophageale Hernie | |
Funktion | pH-Metrie | |
0 | Normale Säureexposition des distalen Ösophagus (pH-Metrie: pH < 4.0 bis 3.9 % / 24 h) |
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1 | Gesteigerte Säureexposition des distalen Ösophagus (pH-Metrie: pH < 4.0: 4.0 - 7.9% / 24 h) |
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2 | Höhere Säureexposition distaler Ösophagus (pH-Metrie: pH <4.0: 8.0-19.9% / 24 h) |
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3 | Höchste Säureexposition des Ösophagus (pH-Metrie: pH < 4.0: über 20 % / 24 h) |
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Pathologie | Ösophagitis | |
0 | Keine makroskopischen mukosalen Veränderungen | |
1 | Isolierte, nicht-konfluierende Läsion | |
2 | Zirkumferentielle oder konfluierende Läsionen | |
3 | Striktur, short esophagus, penetrierendes Ulkus | |
ggf. addieren: CLO |
1 | Columnar Lined esophagus, Barrettmukosa |
ggf. addieren: PS |
1 | previous surgery |
Beispiel: Ein Patient mit einer kleinen Hiatushernie, einem mittleren sauren Reflux und einer fleckartigen Refluxösophagitis mit Nachweis von Barrett-Mukosa würde A1 F2 P1 (CLO) klassifiziert.
Epidemiologie
Die GERD ist die häufigste Erkrankung des oberen Gastrointestinaltraktes. Während der Schwangerschaft bestehen häufig Refluxsymptome. Als Risikofaktoren für GERD werden Fettleibigkeit und Zigarettenrauchen angesehen.
- Prävalenz Nach Schätzungen: 1/3 der Gesamtbevölkerung der USA betroffen
- Altersgipfel in den ersten 6 Lebensmonaten und > 50 Jahre
- Geschlecht gleichverteilt
- Geographie keine Angaben
Spontanverlauf:
Hohe Rezidivrate nach Therapiebeendigung, aber in der Regel geringes Risiko für gravierende Spätkomplikationen.
Mögliche Komplikationen: peptische Ösophagusstenose, Ösophagusulkus, Endobrachyösophagus (Barrett-Ösophagus)
Prästationäre Maßnahmen (Hausarzt):
Allgemeinmaßnahmen veranlassen (Rauchen einstellen, Meiden scharfer Getränke und Speisen, Meiden von Pfefferminz, Meiden von Alkohol und Kaffee, Schlafen mit erhöhtem Oberkörper etc.). Symptomatischer Behandlungsversuch. Endoskopie.
Symptome:
Retrosternales Brennen. Sodbrennen. Brustschmerzen. Regurgitation.
Obligate Diagnostik
- Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
- Oberbauchsonogramm
- Ösophagusmanometrie (Motilitätsstörung? Sphinkterfunktion?)
- Ambulante Ösophagus pH-Metrie (pathologischer Reflux?)
Abbildung: Ambulante pH-Metrie des Ösophagus bei gesunder Normalperson (Quelle: Bumm MRI/C)
Abbildung: Ambulante pH-Metrie des Ösophagus bei Refluxpatient (Quelle: Bumm MRI/C)
Abbildung: Upside-Down Magen in der Kontrastuntersuchung. (Quelle: Bumm MRI/C)
Abbildung: Peptische Stenose bei Refluxkrankheit (Quelle: Bumm MRI/C)
Abbildung: Peptische Stenose bei Refluxkrankheit (Quelle: Bumm MRI/C)
Fakultative Diagnostik
- Bei Verdacht auf sekundären Reflux: Radiologische Dünndarmdarstellung
- 24-h Langzeitmano-pH-Metrie (zirkadiane Motilitätsstörung? Clearancemotilität?)
- 24-h Bilirubinmessung im terminalen Ösophagus (Gallenkomponente?)
Therapie [Chirurgie]
Indikaton: Die Indikation zur chirurgischen Therapie besteht bei rezidivierender Refluxkrankheit mit entsprechendem Leidensdruck des Patienten. Die Refluxkrankheit sollte pH-metrisch dokumentiert sein und die Ösophagusmanometrie sollte eine ausreichende peristaltische Funktion des Ösophagus zeigen. Wird der Patient unter einem präoperativen Behandlungsversuch mit z.B. Omeprazol schnell beschwerdefrei, so kann mit einem guten Wirken der Fundoplikatio gerechnet werden. Ein Barrett-Ösophagus wird durch die chirurgische Therapie nicht verhindert oder rückgebildet.
Aufklärung
Ösophagusperforation, Milzverletzung, Milzentfernung, Vagusverletzung, Dysphagie (Hyperkontinenz), Refluxrezidiv, Transfusionswahrscheinlichkeit unter 5 %, Eigenblutspende in der Regel nicht sinnvoll, Lagerungsschaden.
Vorbereitung
Abführen mit 1/2-1 Portion Senna z.B.[X-Prep] .
Standardverfahren: Die chirurgische Standardtherapie ist die Fundoplikatio nach Nissen/Rosetti, vorzugsweise laparoskopisch.
Mögliche Spätkomplikationen nach Fundoplikatio
- Teleskopphänomen
- Manschettenlösung
- Dysphagie bei zu enger Manschette
Denervationssyndrom und "gas bloat"
Therapie [Internistisch]
Indikation: Die medikamentöse Behandlung der GERD hat durch die Einführung potenter säuresuppressiver Medikamente erheblich an Gewicht gewonnen. Wird anlässlich der Endoskopie eine Refluxösophagitis festgestellt, so wird in der Regel aufgrund der gegenüber H2-Antagonisten besseren Wirkung ein 2-4 wöchiger Behandlungszyklus mit einem Protonenpumpemhemmer durchgeführt. Rezidiviert die Refluxösophagitis chronisch trotz Allgemeinmaßnahmen, so sollte eine genaue Befunderhebung im Gastrolabor erfolgen (siehe oben) und ggf. die Indikation zur chirurgischen Therapie gestellt werden.
Medikation: Eine Übersicht über historisch eingesetzte Medikamente zur Behandlung der Refluxkrankheut je nach Schweregrad der Refluxkrankheit:
Wirkung | Klasse | Substanz | Handelsname (Beispiel) |
Dosis | Eingeführt | |
Low | Antazida | Aluminiumhydroxid Solugastril, |
Maaloxan | mind. 3x1 Btl. p.d. | -- | |
Low | Schleimhaut- protektiva |
Sucralfat | Ulcogant | 6 x 5 ml p.d. | -- | + |
Low | Prokinetika | Metoclopramid | Paspertin | 3 x 1 Tbl, 3 x 15 Tr | x -- | + |
Low | Prokinetika | Cisaprid | Propulsin | 3 x 5-10 mg /d | -- | ++ |
Medium | H2-Antagonist | Cimetidin | Tagamet | 800 mg/d ab | 1977 | + |
Medium | H2-Antagonist | Ranitidin | Sostril, Zantic | 300 mg /d ab | 1981 | ++ |
Medium | H2-Antagonist | Famotidin | Pepdul | 40 mg/d ab | 1985 | ++ |
High | Protonenpumpen- hemmer |
Omeprazol | Antra | 20 mg/d abends | 1988 | +++ |
Rezidivprophylaxe und Weiterbehandlung: Nach gutem Ansprechen auf eine konservative Initialtherapie kann die PPI Dosis auf eine Bedarfstherapie umgestellt werden. Nach chirurgischer Therapie ist eine postoperative Refluxrezidivprophylaxe ist in der Regel nicht erforderlich. Nach 4 Wochen Kontrollendoskopie, nach 3 Monaten pH-Metrie und Manometrie zur Verlaufskontrolle.
AWMF Leitlinie zur Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit