Cholezystitis und Cholezystolithiasis
Klinische Einteilung, Pathogenese
Die Cholezystitis entsteht überwiegend (>90%) durch Steinverschluss des ductus cysticus oder durch stattgehabten Steinabgang. Selten entsteht eine Cholezystitis nach schweren Traumen oder grossen operativen Eingriffen (Stressgallenblase).
Die Cholezystolithiasis entsteht durch Übersättigung der Galle mit lithogenen Substanzen und konsekutiver Steinbildung. Eine Stase der Galle in einer nicht-kontraktilen Gallenblase oder in den Gallenwegen bei motorischer Störung des Sphinkter Oddi führt zur Beschleunigung dieses Vorgangs.
Typ | Pathophysiologie | Konsistenz | Vorkommen |
Pigmentstein (10%) |
Übersättigung der Galle mit nicht- konjugiertem Bilirubin oder schlecht wasserlöslichen Bilirubinkonjugaten. |
sehr hart, klein, zackig | Hämolytische Anämie, Hämolyse, parasitären Erkrankungen, Leberzirrhose |
Cholesterinmischstein (80 %) |
Übersättigung der Galle mit Cholesterin |
weich | Hypercholesterinämie, Gallenblasenentleerungsstörung |
Cholesterinstein (10%) |
Übersättigung der Galle mit Cholesterin |
hart, rund, | Hypercholesterinämie, Gallenblasenentleerungsstörung |
Der Zusammenhang zwischen Gallenblasenkarzinom und Gallensteinleiden wird diskutiert. 60-90 % der Patienten mit Gallenblasenkarzinom sind Steinträger. Das Vorliegen eines im Ductus cysticus impaktierten Gallensteins mit Kompression und lateraler Einengung des Ductus choledochus wird als Mirizzi-Syndrom bezeichnet. Differentialdiagnostisch müssen bei chronischen Oberbauchbeschwerden auch Gallengangsdivertikel oder ein sog. Caroli-Syndrom (Vorliegen multipler, vorwiegend intrahepatischer Gallengangszysten) ausgeschlossen werden. Bitte unterscheiden Sie den schmerzhaften Gallenblasenhydrops infolge Zystikusverschluss (Stein) vom schmerzlosen Gallenblasenhydrops in Verbindung mit Ikterus (Courvisier-Zeichen) bei z.B. Pankreaskopfkarzinom. 95 % der Gallensäuren werden normalerweise im terminalen Ileum rückresorbiert (enterohepatischer Kreislauf)
Epidemiologie
Die Cholezystolithiasis ist die häufigste Erkrankung des hepatobiliären Systems.
Noxen | Art | möglicher Mechanismus |
Medikamente | Östrogene | |
Kontrazeptiva | ||
Clofibrat | ||
Endogene | Gewichtsreduktion | |
Fettsucht | ||
Z.n. Magenresektion | Gallenblasenentleerung verlangsamt | |
Z.n. Vagotomie | Gallenblasenentleerung verlangsamt | |
Schwangerschaft | Unvollständige Gallenblasenentleerung | |
Ileumresektion | Störung der Gallensäuren- rückresorption, Gallen-Cholesterin erhöht |
Spontanverlauf:
Häufig unauffällige, symptomarme Spontanverläufe. Spontanlyse extrem selten.
Mögliche Komplikationen: Cholezystitis: Gallenblasenperforation, Sepsis (selten) Cholezystolithiasis: Choledocholithiasis, Steinimpaktion, Verschlussikterus
Prästationäre Masnahmen (Hausarzt):
Allgemeine Op-Vorbereitung. Sonographie.
Symptome:
Kolikartige Schmerzen im rechten Oberbauch, z.B. nach Nahrungsaufnahme. Die sogenannte Charcotsche Trias (Ikterus, rechtsseitige Oberbauchschmerzen, Fieber mit Schüttelfrost) weist auf das Vorliegen einer Cholangitis hin. Ein Courvoisier-Zeichen (schmerzloser Verschlusikterus mit tastbarem Gallenblasenhydrops) legt den Verdacht auf eine Gallengangsneoplasie nahe. Bei Amylasämie mus eine biliäre Pankreatitis ausgeschlossen werden.
Obligate Diagnostik
- Blutbild (Leukozytose ?)
- Serumwerte: Bilirubin, Alkalische Phosphatase, GOT, GPT, y-GT, Amylase, Lipase
- Oberbauchsonogramm
Fakultative Diagnostik
- Bei Bilirubin- oder AP-Erhöhung oder Choledochusweite > 1 cm: ERCP
(Choledocholithiasis ?) - alternativ: iv.-Cholangiographie (nur bei guter Qualität sinnvoll)
- Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (Ausschluss eines Magen/Duodenalulkus )
Kernspintomographie der Leber/Pankreas
Abbildung: Choledocholithiasis (singuläres Konkrement; gezeigt ist die ERCP) Quelle: MRI
Abbildung: Choledocholithiasis, (Stein-Extraktion mit Dormia-Korb) Quelle: MRI
Abbildung: Präpapillär gelegenes Choledochus-Konkrement (Kernspintomographie) Quelle: MRI
Therapie [Chirurgie]
Indikaton:
Die laparoskopische Cholezystektomie ist heute die Standardbehandlung der Cholezystolithiasis. In der Regel wird bei der laparoskopischen Cholezystektomie aufgrund des "therapeutischen Splittings" keine Cholangiographie durchgeführt.
Die offene CHE ist heutzutage die Ausnahme. Wir beginnen, außer bei kardialen oder pulmonalen Risikofaktoren, die die Anlage eines Pneumoperitoneums verbieten, immer laparoskopisch. Eine Konversion in eine offene, konventionelle Cholezystektomie ist wahrscheinlicher bei :
- Status nach Oberbaucheingriff
- sonographisch Nachweis einer Schrumpfgallenblase
- Cholezystitis mit hochgradigem Gallenblasenhydrops (Behandlung siehe unten)
Die laparoskopische Cholezystektomie kann in Single Port Technik (SILS) oder in NOTES Technik vorgenommen werden. Bei der SILS wird ein singulärer, postoperativ nahezu unsichtbarer Schnitt am Nabel durchgeführt und die gesamte OP über diesen Zugang vorgenommen. Bei NOTES wird die Gallenblase ohne Schnitt am Bauch durch eine natürliche Körperöffnung (transgastral, transrektal oder transvaginal) entfernt. Die Hype um NOTES ist bereits wieder am "abflauen". SILS weisst gewisse Zuwachsraten auf, ist aber technisch anspruchsvoll und kann zu Organverletzungen fühen.
Aufklärung
Darmverletzung, Choledochusverletzung, Blutung, Nachblutung, Konversion in offene Cholezystektomie (ca. 10 %), Rezidivsteine (selten), postop: ERCP bei Choledocholithiasis; Postcholezystektomiesyndrom; Transfusionswahrscheinlichkeit unter 5 %, Eigenblutspende in der Regel nicht sinnvoll
Vorbereitung
Abführen mit 1/2-1 Portion Senna z.B. [X-Prep] .
Standardverfahren: Die laparoskopische Cholezystektomie (LCHE). Sie kann auch unter kurzstationären Bedingungen durchgeführt werden.
Details aus Operationsverlauf und Behandlung:
- Laparoskopie: Auf eine intraoperative Cholangiographie wird in der Regel verzichtet.
- eine peri- oder postoperative Antibiotikagabe nur bei Gallenaustritt ins Abdomen oder Cholezystitis
- Die Versorgung der A. cystica bzw. des D. cysticus erfolgt mit je zwei resorbierbaren Clips
- Es erfolgt nur bei besonderer Blutungsneigung die regelhafte Einlage einer Robinsondrainage über die Nabelinzision (24 h belassen).
- Meist kann auf die Drainage verzichtet werden
- intraoperativ Instillation von 10-20 ml Naropin in die freie Bauchhöhle
- Die Patienten erhalten abends Tee frei und müssen Aufstehen
- 1. p.o. Tag: Leichte Kost, Kontrollsonographie und Drainage ex falls unauffällig
- Entlassung am 2. p.o. Tag
- 1-2 ambulante Kontrolltermine (Cholestaseparameter: falls erhöht -> ERC, ggf. EPT und Konkrementextraktion)
Die offene Cholezystektomie erfolgt über einen Transrektalschnitt im rechten Oberbauch, alternativ über einen Rippenbogenrandschnitt. Stichpunkte zum Operationsverlauf:
- Bei Gallenblasenhydrops: Punktion der Gallenblase
- bei akuter Galle In der Regel anterograde (vom Apex zu den Hilusstrukturen) Auslösung der Gallenblase
- Cholangiographie im Zeitalter des Therapiesplittings nur bei unklarer Anatomie oder V.a. Gallengangsverletzung
- Umstechungsligatur der A. cystica
- Ligatur des D. cysticus mit nicht-resorbierbarem Nahtmaterial
- Bei Choledochusrevision : Immer Einlage einer T-Drainage
Nachbehandlung bei T-Drainageneinlage: Belassen der Drainage für 5-6 Tage. Dann 24-stündiges Hochhängen der Drainage, Kontrolle der Cholestaseparameter. Falls unauffällig: Extraktion der Drainage.
Ergänzung: In großen epidemiologischen Untersuchungen wurde bei Patienten mit Z.n. Cholezystektomie ein gegenüber der Normalbevölkerung leicht erhöhtes Risiko für die Erkrankung an Kolonkarzinomen festgestellt (jedoch: vgl. Angabe zum Gallenblasenkarzinom, siehe oben). Nach Entfernung der Gallenblase wird durch eine Beschleunigung des Gallenflusses ein Rückgang der Lithogenität der Galle erreicht (Steinprophylaxe).
Therapie [Internistisch]
Indikation: Die medikamentöse Behandlung des Gallensteinleidens und die Gallensteinzertrümmerung ist in Ihrer Bedeutung durch die Verfügbarkeit der LCHE stark zurückgegangen (Rezidivsteine, häufige Behandlungspflichtigkeit, Nebenwirkungen der Medikamente, Abgang von zertrümmerten Konkrementen). Im Gegensatz dazu hat das therapeutische Splitting einen großen Aufschwung erlebt. Die interdisziplinäre Behandlung ist bei Verfügbarkeit der ERCP klar definiert:
- bei Verdacht auf Choledocholithiasis: präoperative ERCP / EPT / Steinextraktion bei Choledocholithiasis (-> durch Internisten)
- Cholezystektomie (-> durch Chirurgen)
- bei Verdacht auf verbliebene Konkremente: ERC / EPT /Steinextraktion (-> durch Internisten)
Behandlung der akuten Cholezystitis:Der Patient wird stationär aufgenommen. Ansetzen eines Breitbandantibiotikums. Nüchtern lassen. Thromboseprophylaxe. Elektive Cholezystektomieplanung, optimal 48 h nach stationärer Aufnahme.
Die Schmerzbehandlung mit Morphin ist bei akuter Cholezystitis kontraindiziert, da durch Morphin ein Papillenspasmus hervorgerufen werden kann.
Rezidivprophylaxe und Weiterbehandlung: Postoperative diätetische Maßnahmen sind nicht erforderlich.
Das Postcholezystektomiesyndrom bezeichnet das Persistieren von Aufnahmesymptomen des Patienten auch nach erfolgter Cholezystektomie. In diesen Fällen muß eine Schmerzursache im oberen Gastrointestinaltrakt durch weiterführende Diagnostik (peptische Ulkus, Pankreatitis) und das Vorliegen von Choledochuskonkrementen ausgeschlossen werden.