Morbus Crohn
Klinische Einteilung, Pathogenese
Entzündliche und chronisch verlaufende Darmerkrankung mit bevorzugtem Befall des terminalen Ileums, wobei das gesamte Intestinum segmental betroffen sein kann. Die Krankheitsursache ist unbekannt. Klinisch manifestiert sich die Erkrankung durch entzündliche Stenosen der betroffenen Darmabschnitte, die zum Ileus führen können. Typisch ist die Ausbildung von Fisteln. Die Erkrankung tritt in Schüben auf, und auch nach Resektion betroffener Darmabschnitte rezidiviert die Enteritis häufig. Histologisch ist der Nachweis von epitheloidzelligen, riesenzellhaltigen Granulomen (in 60 % nachweisbar) und fibrotischer Wandverdickung mit verengtem Darmlumen sowie linearen Schleimhautulzerationen typisch. Neben den befallenen Darmabschnitten finden sich normale Darmsegmente, die prästenotisch dilatiert sein können. Neben der intestinalen Manifestation können schubabhängig systemische Krankheitserscheinungen wie Iritis, Konjunktivitis und Uveitis, Erythema nodosum, Pyoderma gangränosum, aphtöse Ulzera der Lippen, Arthritis auftreten. Schubunabhängig können Spondylitis, Sakroiliitis, Nierensteine, Leberzirrhose, sklerosierende Cholangitis und Pericholangitis nachweisbar sein. Das Krankheitsstadium des M. Crohn wird zweckmässig mit dem sog. Crohn-Index (CDAI Index = Crohn s disease activity index) ermittelt:
Symptom | Vorliegen | Koeffizient | Ergebnis |
Anzahl der Durchfälle | der letzten Woche | x 2 | |
Grad der Bauschmerzen [1] | der letzten Woche | x 5 | |
Allgemeinbefinden [2] | Summe über 1 Woche | x 7 | |
Andere Symptome | Arthritis | 1 x 20 | |
Iritis, Uveitis | 1 x 20 | ||
Erythema nodosum | 1 x 20 | ||
Stomatitis aphtosa | 1 x 20 | ||
Pyoderma gangränosom | 1 x 20 | ||
Analfissur, -fisteln, -abszess | 1 x 20 | ||
Fieber > 37 Grad | 1 x 20 | ||
andere Fisteln | 1 x 20 | ||
Symptomatische Durchfallbehandlung | falls ja: | 1 x 30 | |
Resistenz im Abdomen | nein | x 30 | |
fraglich 2 | x 30 | ||
sicher 5 | x 30 | ||
Hämatokrit | Frauen: 42 minus Hkt | x 6 | |
Männer: 47 minus Hkt | x 6 | ||
Gewicht | 1-(Gewicht/Standardgewicht) | x 100 | |
Summe | geringe Aktivität | < 150 | |
mittlere bis hohe Aktivität | > 150 |
[1] Grad der Bauchschmerzen: 0 keine, 1 leicht, 2 mässig, 3 stark
[2] Allgemeinbefinden: 0 gut, 1 nicht ganz gut, 2 schlecht, 3 sehr schlecht, 4 unerträglich
Epidemiologie
Das Auftreten des Morbus Crohn bei erstgradigen Verwandten eines Erkrankten (in ca. 10%) lässt eine gewisse genetische Prädisposition vermuten.
Inzidenz 3-6 / 100 000 / Jahr
Altersgipfel 15-40 Jahre
Geschlecht bei Frauen gering häufiger
Geographie Gehäuftes Auftreten: Skandinavien, England, männliche Juden der USA, niedrig bei Farbigen; bei Eskimos oder Indianern unbekannt
Synonyme: Enteritis terminalis, Ileocolitis Crohn, Kolitis Crohn, Enteritis granulomatosa
Symptome: abhängig von der jeweiligen Krankheitsausprägung und systemischer Begleiterkrankungen
Spontanverlauf: Chronischer Krankheitsverlauf mit Rezidivneigung auch nach Resektion betroffener Darmabschnitte. Ob das Risiko der Karzinomentwicklung im Verlauf der Erkrankung erhöht ist wird kontrovers diskutiert (im Vergleich zur Kolitis ulzerosa in jedem Fall deutlich geringer).
Mögliche Komplikationen:
Stenosen, Fisteln, Urogenitale Fistel, Cholesterin-Gallensteine (Gallensäureverlust)
Prästationäre Masnahmen (Hausarzt):
Basis-OP-Vorbereitung, meist Fälle mit histologisch gesicherter Erkrankung aus gastroenterologischer Praxis
Obligate Diagnostik
- Anamnese
- Untersuchung des Abdomens
- Rektale Untersuchung (Analbefall in 10% der Patienten!)
- Abdomenübersicht im Liegen und im Stehen, Pulmo (Ileuszeichen, freie Luft ?)
- Routinelabor
- Abdomensonographie (freie Flüssigkeit? Nachweis von segmental verdickten Dünnarmabschnitten? Intraabdominelle Verhalte? Nierenbecken gestaut? Gallensteine?)
- ohne Ileusverdacht: Sellinck-Passage (Dünndarmdarstellung mit Barium: Stenosen? Fisteln?) mit Ileusverdacht: Gastrografinpassage (Stenosen?, Fisteln?)
Abbildung: Dünndarmkontrastdarstellung bei M. Crohn (terminale Stenose im Ileum): Quelle: MRI/C
Abbildung: M. Crohn, CT Befund. Quelle: MRI/C
Fakultative Diagnostik
- CT-Abdomen
- bei fehlender histologischer Sicherung: Rektoskopie und Koloskopie (Rektumbiopsie [auch bei normaler Schleimhaut]Ö
- Ösophagogastroduodenoskopie
siehe auch Videoclip: Endoskopisches Bild bei M. Crohn (Kolonbefall)
Avi-Video
Therapie [Chirurgie]
Indikaton: Die chirurgische Therapie des Morbus Crohn orientiert sich am Auftreten von Komplikation oder dem Versagen medikamentöser Therapie. Absolute Indikationen sind die freie Perforation des Intestinums und die intestinale Obstruktion (Darmverschluß) durch (sub)totale Stenose eines befallenen Darmabschnitts. Relative Indikationen sind das Auftreten von enteralen Fisteln, Blutungen oder intraperitonealen Abszessen.
Für elektive Eingriffe ist eine präoperative Korrektur der Malnutrition und ein adäquater medikamentöser Behandlungsversuch Voraussetzung. Eine präoperativ durchgeführte Steroidtherapie sollte auf eine perioperative iv.-Substitution umgestellt werden.
In der Regel werden entzündliche Darmabschnitte sparsam reseziert. Bei kurzen Darmstenosen kann eine Strikturoplastik sinnvoll sein, um zu ausgedehnte Resektionen zu vermeiden. Enterale Fisteln werden in der Regel mitsamt der betroffenen Darmabschnitte reseziert. Gelegentlich kann die Anlage eines Ileostomas sinnvoll sein, um anschließend eine konsequente medikamentöse Therapie einzuleiten und ausgedehnte Resektionen zu vermeiden. Wird präoperativ eine Appendizitis vermutet und intraoperativ ein Morbus Crohn festgestellt, sollte die Appendix entfernt werden um bei erneuten, zu erwartenden Abdominalsymptomen die Differentialdiagnose einzuschränken.
Die laparoskopische Chirurgie hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr zum Standardvorgehen bei chirurgischen Therapieverfahren etabliert. Hierbei wird zunächst eine diagnostische Laparoskopie durchgeführt und das erforderliche Resektionsausmaß geklärt. Anschliessend erfolgt die Resektion entweder komplett laparoskopisch mit intraabdomineller Anastomose oder das Hervorluxieren des betroffenen Darmabschnittes über eine Minilaparotomie, Ausführen der Anastomosierung vor der Bauchwand sowie Replatzieren der Anastomose nach intraabdominell. Vorteile: Geringere Verwachsungsneigung postoperativ, kleinere Schnitte, schnellere Rekonvaleszenz.
Befund | Maßnahme |
Kurze Dünndarmstenose | Strikturoplastik |
Lange Dünndarmstenose | Resektion oder Strikturoplastik |
Enterokutane Fistel | Beseitigung der nachgeschalteten Stenose durch Resektion; Resektion der Fistel |
Interenterische Fisteln | Resektion |
Ileokoloduodenale Fisteln | Ablösung der Fistel, Kolonsegment- resektion, Deckung des Duodenal- defektes durch Duodenojejunostomie |
Ileokolische Fistel | Resektion |
Ileogastrale Fistel | Sparsame Magenwandresektion, Dünndarmsegmentresektion; |
Enterovesikale Fistel | Ablösung des Fistelganges von der Blase, Übernähung oder Netzdeckung |
Perianale Fistel | Ohne Beschwerden keine Therapie. Bei Abszeß lokale Inzision. Hohe Rezidivrate. Bei Sphinkterbefall: ggf. Loop-Ileostomie, -> Ausheilung |
Toxisches Megakolon | Resektion des eindeutig befallenen Kolonanteils, Anlage eines Kolostoma und einer aboralen Fistel, nach Abklingen des Schubes eingeschränkte Kolonresektion und Rekonstruktion |
Generell: Keine lokale Drainage (Fistelgefahr!)
Therapie [Internistisch]
Indikation: Therapie der ersten Wahl
Zur medikamentöse Behandlung des Morbus Crohn stehen Steroide, Immunsuppressiva und Antibiotika zur Verfügung. Nach gesicherter Diagnose erfolgt in der Regel eine Behandlung mit Sulfasalazin [Azulfidine] 3 x 1 g / die oder Mesalazin [Salofalk] 3 x 0.25 (0.5) g, bei akutem Schub zusätzlich Methyl-Prednisolon [Urbason] 40 mg, alle 5 Tage um 5 mg zurücksetzen, Erhaltungsdosis 10 mg, bis zur Remission und dann langsam ausschleichen. Bei schweren Fällen und älteren Patienten kann das Immunsuppressivum Azathioprin [Imurek] 100 mg / die (2 x 1 Tbl), auch zum Einsparen einer Cortisonmedikation, gegeben werden. Bei schweren, therapierefraktären Schüben werden insbesondere TNF-Blocker wie Infliximab, Adalimumab aber auch Ciclosporin oder Tacrolimus eingesetzt.
Rezidivprophylaxe: empfehlenswert; regelmäßige ambulante Kontrollen in gastroenterologischer Spezialpraxis
Erreichbare Behandlungsergebnisse: Hohe Rezidivhäufigkeit nach chirurgischer Therapie (bis 40 %)