Schilddrüsenmalignom
Klinische Einteilung
Die Schilddrüsenmalignome werden entsprechend ihrer Histologie und Ausdifferenzierung eingeteilt.
Die WHO (Hedinger, Williams, Sobin 1991) unterscheidet die Schilddrüsenkarzinome:
Histologischer Typ | Varianten |
Follikulär | hellzellig |
oxyphil | |
Papillär | Mikrokarzinom |
gekapselt | |
follikulär | |
sklerosierend | |
oxyphil | |
Medullär | |
Anaplastisch Sarkome; Plattenepithelkarzinome; Metastasen |
Die oxyphile Variante (histologisch charakterisiert durch Reichtum an Mitochondrien) der papillären und follikulären SD-Karzinome macht ca. 5 % der Gesamtkollektive aus. Sie sind durch in der Regel fehlende Jodspeicherpotenz gekennzeichnet und sind somit der Radiojodtherapie nicht immer zugänglich, was als Hauptursache für die schlechtere Prognose dieser Tumoren angesehen wird.
Generell sind Histologie, Epidemiologie, Metastasierung, Therapie wie folgt, gruppiert nach Prognose, zusammenzufassen:
Art | Epidemiologie | Metastasen | Op | Nachbehandlung |
Papilläres Karzinom | 35-60% aller Karzinome, Alter <40, w:m 3:1 | Lymphogen: Halslymphknoten | Totale Thyreoidektomie mit regionaler Lymphadenektomie | Radiojod (?); beste Prognose |
Follikuläres Karzinom | 25-45 % aller Karzinome, Alter > 40, w:m 3:1 | Hämatogen: Lunge, Knochen | Totale Thyreoidektomie + selektive Lymphadenektomie | Radiojod, gute Prognose |
Medulläres Karzinom | 5-10% aller Karzinome; 40-50 Jahre, w:m 1:1 | Lymphogen Hämatogen | Totale Thyreoidektomie + modifizierte radikale Neck-Dissection | Solitärmetastasen operieren; mäßige Prognose; MEN Typ II ausschließen |
Anaplastische Karzinom | 10-15% aller Karzinome, 40-50 Jahre, w:m 2:1 | Hämatogen | Totale Thyreoidektomie, neoadjuvante Therapie | Radiatio, ggf. Chemotherapie, schlechte Prognose |
Pathogenese, Ätiologie
Exogene Noxen: Bestrahlungsanamnese im Halsgebiet
Endogene Noxen: keine bekannt
Präkanzerosen: keine bekannt
Epidemiologie
- Prävalenz 1% aller maligner Tumoren bei der Frau, 0.2% beim Mann. Das "lifelong risk" am Karzinom zu erkranken beträgt etwa 1:169 (0.59%) beim Mann und 1:85 (1.72%) bei der Frau (www.cancer.org)
- Altersgipfel 40-60 Jahre
- Geschlecht Frauen < Männer
- Geographie follikuläres Karzinom häufiger im Endemiegebiet
- Spontanverlauf : vergleichsweise langsame Progredienz
TNM Klassifikation (UICC 2002)
TNM | Beschreibung UICC 2002 | Ergänzungen |
T0 | Kein Anhalt für Tumor | |
Tis | Carcinoma in situ | |
T1 | Tumor <= 2 cm begrenzt auf Schilddrüse | |
T2 | Tumor > 2 cm, Tumor < 4 cm begrenzt auf Schilddrüse | |
T3 | Tumor > 4 cm, begrenzt auf Schilddrüse oder jeder Tumor mit minimaler extrathyroidaler Ausdehnung (z.B. gerader Halsmuskulatur oder perithyroidales Bindegewebe) | |
T4 |
T4a Tumor jeder Grösse der die Schilddrüsenkapsel überschreitet und in Subkutangewebe, Larynx, Trachea, Ösophagus oder die Recurrensnerven einwächst T4b Tumor jeder Grösse, der die prävertebrale Faszie infiltriert oder die a. carotis oder Mediastinalgefässe infiltriert / umscheidet Anaplastische Karzinome: T4b Extrathyroidale Karzinome, nicht-resektabel |
|
N0 | kein Anhalt für LK-Metastasen | Selektive Neck-Dissection und Entfernung von 6 oder mehr LK |
N1 | regionäre LK-Metastasen | |
N1a | Metastasen Level IV (prätracheal, paratracheal, prälaryngeal) | |
N1b | Andere LK-Metastasen unilateral, oder bilateral, oder kontralateral cervikal, oder obere Mediastinallymphknoten | |
M0 | Keine Fernmetastasen | |
M1 | Fernmetastasen |
|
Prästationäre Maßnahmen (Hausarzt):
Basis-OP-Vorbereitung, Überweisung in spezialisierte Schilddrüsenambulanz (Szintigraphie, Schilddrüsensono, Feinnadelpunktion)
Obligate Diagnostik
In der gesamten Diagnostik keine jodhaltigen Medikamente, Desinfektionsmittel oder Kontrastmittel (wegen Radiojodtherapie) verabreichen !
Klinische Untersuchung, Schilddrüsen- (Supressions-) Szintigramm, Schilddrüsensonogramm, Feinnadelpunktion, HNO-Konsil, Knochenszintigramm, Tracheoskopie; Ösophagoskopie mit
Endosono; Lungenübersichtsaufnahme, T3/T4, TSH basal, Kalzium bestimmen.
Tumormarker:
- Calcitonin (bei medullärem Karzinom, 72% Sensitivität) [100 ng/L]
- Thyreoglobulin (bei follikulärem und papillärem SD-Karzinom, bis 98% Sensitivität)
CEA
Risikoprofil: Basisdiagnostik
Abbildung: kalter Knoten im Schilddrüsenszintigramm. Quelle: MRI/C Vogelsang
Abbildung: heißer Knoten im Schilddrüsenszintigramm. Quelle: MRI/C Vogelsang
Abbildung: Tumorknoten im Schilddrüsensonogramm Quelle: MRI/C Vogelsang
Fakultative Diagnostik
Computertomographie des Halses (Thorax bei speziellen Fragestellungen), Kernspin;
Abbildung: Intrathorakale Struma auf der Thoraxübersichtsaufnahme Quelle: MRI
Abbildung: Intrathorakale Struma im CT Thorax Quelle: MRI
Abbildung: Schilddrüsenadenom im Kernspin Quelle: MRI/C
Therapievorgehen [Chirurgie]
Aufklärung
Recurrensparese, Verletzung von Trachea oder Ösophagus, Thyroxin-Substitution, Rezidiv, Blutung, Fremdblut, Hepatitis, AIDS, Rezidiv, Intensivpflege und Tracheotomie (bds. Recurrensparese), kosmetisch unschöne Narbe.
Vorbereitung
Halsrasur. Keine spezielle Vorbereitung. Lagerung überwachen.
Operationsverfahren
Totale Thyreodektomie (Standardtherapie), ggf. mit regionaler Lymphadenektomie
Die Recurrensdarstellung beidseits ist obligat.
Operationstechnische Hinweise:
- Kocherscher Kragenschnitt
- Quere Durchtrennung der geraden Halsmuskulatur (im Gegensatz zur "ambulanten" Struma)
- Umstechung, ggf. Doppelligatur der Polgefäße
- Ligatur der A. thyreodea inferior
- Immer Schnellschnitt-Untersuchung des Präparates
- Readaptation der geraden Halsmuskulatur, Subkutannaht (Vicryl3/0)
- Hautnaht in intradermaler Technik (Vicryl weiss 3/0, Vorteil: kein Fadenziehen) oder Intrakutannaht (Ethilon 2/0). Alternativ: Klammernaht
Nachbehandlung
abends: schluckweise Tee, normaler Kostaufbau
2. Tag.: Ziehen der Redon-Drainagen (ohne Sog! [sekundäre Recurrensschädigung oder Nachblutung]).
Lebenslange Thyroxin-Substitutionstherapie erforderlich.
Mehr noch als bei der Radiojodtherapie gutartiger Schilddrüsenerkrankungen muss in der Phase vor einer eventuellen Radiojodtherapie des Schilddrüsenkarzinoms darauf geachtet werden, dem Patienten kein zusätzliches Jod und möglichst auch kein Thyroxin zukommen zu lassen.
Komplikationsrangliste
Typ | Auftreten (p.o. Tag) | Prävention; Behandlung |
Recurrensparese | Op | Oft intermittierend (Hakenzug etc). Vernebler, Antiphlogistikum, HNO-Konsil. |
Störung des Kalziumspiegels | Op-3 | engmaschige Elektrolytontrollen, ggf Ca++-Substitution |
Nachblutung | Op-3 | Reoperation. Bei Trachealkompression mit Dyspnoe ggf. bettseitig Wunde eröffnen. |
Therapieschemen [Onkologie]
Im Anschluss an die Operation folgt, außer bei anaplastischen oder medullären Karzinomen, die Radiojod-Therapie. Bei fehlender Jodspeicherung sollte der Patient an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden. Es kommt dann eine Chemotherapie (Anthrazyklinhaltige Chemotherapeutika oder Doxyrubicin) im Rahmen von Therapiestudien in Betracht, da ein Standardschema derzeit nicht existiert. Die Strahlentherapie kommt bei metastasierenden, nicht auf Radiojodtherapie ansprechenden SD-Karzinomen oder nichtresektablen Metastasen (palliativ) zum Einsatz.
Adjuvante / Additive Radiotherapie
Bei pT4 Schilddrüsenkarzinomen jeder Histologie.
Anhaltspunkte zur Prognose
Im Allgemeinen gute Langzeitprognose. Beste Prognose bei nicht-oxyphilen papillären Schilddrüsenkarzinomen. Auch Patienten mit Fernmetastasen können in über 50% der Fälle geheilt werden. Als Tumormarker muss Thyreoglobulin im Verlauf bestimmt werden. Prognostische Faktoren für follikuläres Karzinom: T-Stadium nach UICC; M-Kategorie; Papilläres Karzinom: Oxyphile Ausprägung;