Appendizitis
Klinische Einteilung, Pathogenese
Die akute Appendizitis ist histologisch durch das Einwandern von neutrophilen Granulozyten in die Umgebung der Lymphfollikel und durch oberflächliche Schleimhauterosionen mit Fibrinauflagerungen gekennzeichnet. Pathogenetisch wird eine Lumenobstruktion der Appendix (häufig mit Koprolith) diskutiert. Die Appendix kann para-, sub- und retrozökal gelegen sein.
Bei Lumeneröffnung des Darmes spricht man von der perforierten Appendizitis, die als gedeckte Perforation oder als freie Perforation ablaufen kann. Im Gefolge einer Perforation oder einer schweren Entzündung kann sich ein perithyphlitischer Abszess entwickeln. Die chronische Appendizitis ist ungenügend definiert und wird hier nicht weiter behandelt.
Epidemiologie
Die Appendizitis ist die häufigste Ursache des akuten Abdomens. Häufig bei Schwangeren (1/2000). Häufig in Regionen mit faserreicher Ernährung.
- Inzidenz 100 / 100000 / Jahr, Tendenz abnehmend
- Altersgipfel Jugend, Schwangerschaft
- Geschlecht Männer > Frauen
- Geographie keine Angabe
- Spontanverlauf: unbehandelt meist progredienter und fataler Verlauf, nur bei Abdeckung der Entzündung (durch z.B. Netz) lokale Abszessausbildung
- Mögliche Komplikationen: Perforation, perityphlitischer Abszess, Psoasabszess, Peritonitis
- Prästationäre Masnahmen (Hausarzt):
- Blutbildbestimmung. Bei Verdacht: Sofortige Klinikeinweisung.
Symptome:
- Initialsymptome: Diffuse Oberbauchbeschwerden, Übelkeit, Erbrechen
- dann Wandern des Druckschmerzes in den re. Unterbauch, Druckschmerz, Abwehrspannung, Loslasschmerz über McBurney Punkt , Fieber, axilläre/rektale Temperaturdifferenz > 1 Grad Celsius (weniger verlässlich), rechtsseitiger Douglasschmerz bei rektaler Untersuchung, Leukozytose > 10000, CRP-Erhöhung, Appetitmangel, Peritonismus.
- bei Perforation: Plötzliches intermittierendes Nachlassen des Schmerzes möglich
Erkrankung | Unterscheidungsmerkmal |
Pneumonie | Auskultatorisch Rasselgeräusche, radiologisch: pneumonische Infiltrate |
Gastroenteritis | Durchfall, fehlende Abwehrspannung, fehlende rektaler Douglasschmerz |
Mesenteriitis, Lymphadenitis | Z.n. Laryngitis, Fieber > 38 Grad |
M. Crohn, akute Ileitis, Yersinia-Infekt | Anamnesedauer länger, perianale Crohn-Manifestation, häufig jedoch von Appendizitis nicht zu unterscheiden |
Cholezystitis | Druck - , Klopfschmerz im re. Oberbauch, Sonographie; |
Meckel-Divertikulitis | mehr mediales Druckschmerzmaximum |
Salpingitis, Adnexitis | tieferes Druckschmerzmaximum, Ausfluss |
Extrauterine Gravidität | letzte Regel ausbleibend; Schock; Hb-Abfall |
Blasenentzündung | positiver Urinbefund; Druckschmerz mehr medial und tiefer |
Pyelonephritis | Flankenklopfschmerz; positiver Urinbefund |
Obligate Diagnostik
- Anamneseerhebung
- klinische Untersuchung; rektale Untersuchung;
- Blutbild, Serumwerte, U-Status bestimmen
- Sonographie
Abbildung: Akute Appendizitis: Quelle: MRI/C
Abbildung: Appendikoprolith bei Appendizitis (seltener Befund). Quelle: MRI/C
Fakultative Diagnostik
- Abdomenübersichtsaufnahme im Liegen und im Stehen, Pulmo
- Abdomen-CT, ggf. Drainage (Abszeßverdacht)
- bei Frauen: Gynäkologisches Konsil
- Laparoskopie (zur Klärung der Differentialdiagnose)
Therapie [Chirurgie]
Indikation: Bei begründetem Verdacht muss die baldige Appendektomie (Latenz allenfalls wenige Stunden) erfolgen.
Bei unklaren Fällen und Verfügbarkeit der Laparoskopie: diagnostische Laparoskopie, und wenn vor Ort, laparoskopische Appendektomie anstreben. Der Wunsch, den Blinddarm zu behalten, ist die absolute Ausnahme und dem Patienten sollte davon abgeraten werden.
Aufklärung
Blutung, Nachblutung, Gefässverletzung, Trokarverletzung, unschöne Narbe, Narbenbruch, Trokarbruch, Bauchfellentzündung, Reoperation, Abszess, Eigenblutspende sinnlos, Darmverletzung, Patient vorschlagen: falls Appendix makroskopisch unauffällig: trotzdem Appendektomie, Erweiterung der Operation, Darmresektion, Sepsis, Intensivstation, nur im Notfall: zeitweiliger künstlicher Darmausgang.
Vorbereitung
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Standardverfahren: Die chirurgische Standardtherapie ist die laparoskopisch durchgeführte Appendektomie. Offene Operationen nehmen in den letzten Jahren zahlenmäßig ab.
Bei normaler Appendix Kontrolle des Dünndarmes auf Meckel'sches Divertikel und Tasten der Ovarien (Zyste?). Bei normaler Appendix und Lymphadenitis -> Lymphknotenbiopsie (Yersinianachweis?)
Bei postoperativem Karzinoidnachweis in der Appendix ist die Therapie durch Appendektomie bei Größe < 2 cm und Tumorlokalisation im distalen 1/3 der Appendix ausreichend, sonst wird Reoperation und Rechtshemikolektomie empfohlen. Bei Nachweis eines Appendixkarzinomes Verschluss der Appendektomieinzision und Durchführen einer Rechtshemikolektomie durch mediane Unterbauchlaparotomie.
Bei perityphlitischem Abszeß wird die stationäre Aufnahme, parenterale Ernährung, antibiotische Abdeckung und ggf. CT-gezielte Abszeßdrainage durchgeführt. Im Intervall (6-8 Wochen) CT-Kontrolle, ggf. Appendektomie.
Details zur Nachbehandlung eines Routinefalles:
- 1. p.o. Tag: Tee/Schleim/Zwieback
- 2. p.o. Tag: leichte Kost
- keine parenterale Ernährung erforderlich
- grundsätzlich: perioperative Antibiotikaprophylaxe mit Breitbandantibiotikum oder Metronidazol
- bei phlegmonöser Appendizitis: Breitbandantibiotikum für 3 postoperative Tage
- Entlassung: 2.-3. postoperativer Tag
Therapie [Internistisch]
Zuwarten ? Neuerdings gibt es wieder Berichte in der Literatur, die ein "konservatives" Vorgehen bei der Appendizitis befürworten. Dies ist aus der Sicht des Autors nicht empfehlenswert. Die Risiken, Komplikationen einer zu spät behandelten Appendizitis zu erleiden, sind nicht wegzudiskutieren. Die Nachteile, die durch den kleinen Eingriff entstehen können, sind absolut überschaubar. Glauben Sie hier nur Ihrer eigenen Statistik.
Behandlungsergebnisse: Mortalität 0-1 %, Perforationsmortalität 1-5 %